Wohnungssuche, 1985
In den 80-ern war der übliche Weg, eine Wohnung zu suchen und hoffentlich dann auch zu finden, am Sonntag die Anzeigen in der Berliner Morgenpost durchzugehen. Ich hatte dabei die Anzeige für meine spätere Wohnung in der Oranienstraße 169 unter den hunderten von Anzeigen übersehen. Am späten Nachmittag meinte meine damalige Mitbewohnerin unserer in Auflösung befindlichen WG: „Schau mal die tolle Anzeige da, das ist doch zu schön um wahr zu sein, hast Du da schon angerufen?“
Ich rief dann an und hatte den sehr freundlichen Vormieter am Telefon. Er meinte dann „Sie haben jetzt Glück, gleich früh morgens kamen solche Massen von Anrufen, dass ich bis vor drei Minuten den Hörer neben das Telefon gelegt hatte. Wir haben uns dann noch ganz nett unterhalten, und dann meinte er „Kommen Sie doch schnell noch vorbei“.
Dann bin ich auf der Stelle losgegangen und er hat mir die sehr schöne Wohnung im Vorderhaus gezeigt und wir haben uns noch eine Weile unterhalten.
Ich habe dann eine Bewerbung an die Hausverwaltung geschickt. Als erstes hat sich dann die Hausverwaltung an meinen Arbeitgeber gewendet, diesen angerufen und wollte wissen, ob ich immer pünktlich zu Arbeit komme. Der hatte zum Glück die Situation sofort erkannt und das bestätigt. Ich habe dann in kürzester Zeit ein Schreiben der Hausverwaltung bekommen, dass ich den Mietvertrag unterzeichnen sollte. 330 DM für 90 qm. Mit Innen-Toilette und ohne Bad.
Hintergrund: Für Personen in meiner damaligen Altersgruppe (erste Hälfte 20) war es in dieser Zeit im Vergleich zu heute unglaublich einfach, kleine Küche/Stube-Wohnungen (meist mit Klo auf dem Treppenhaus) in den Hinterhöfen zu bekommen, zum Einheits-Mietpreis von 90 DM für ca. 30qm.
Bei den großen Wohnungen in den Vorderhäusern sah dies aber ganz anders aus. So eine große und helle Wohnung zu bekommen war richtig schwer, fast nicht möglich. Da diese attraktiven Wohnungen im Vergleich zu den Arbeitseinkommen und sonstigen Lebenshaltungskosten aufgrund der Mietpreisbindung sehr günstig waren, wurden diese Wohnungen von ihren ursprünglichen Mietern normalerweise bei Wegzug nicht aufgegeben, sondern immer weiter untervermietet.
Die Oranienstraße 169 hat damals (nach dem, was im Haus zu hören war) einer älteren Dame aus Ost-Berlin gehört. Das Haus wurde von einer Hausverwaltung, der Treuhand-AG verwaltet. Es wurde erzählt, man könne das Haus für 40.000 DM von ihr kaufen.
[Nach der Veröffentlichung im SPIEGEL im Januar 2023 meldete sich ein ehemaliger Hausbewohner aus der Oranienstraße 169 bei uns. Er hatte, wie er es ausdrückt, wichtige zehn Jahre seines Lebens in der Oranienstraße verbracht. Der ausführliche Artikel rief bei ihm diese bewegende Zeit in Erinnerung und hat ihn dazu bewogen, einiges aus dieser Zeit für uns aufzuschreiben. Diese Episode ist Teil seines "Zeitzeugenberichts" zur Oranienstraße 169 zwischen 1985 und 1995. Für die Inhalte der Beiträge sind allein die Verfasser verantwortlich. Die Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion der Website ora169.de wieder.]